Seit nun mehr 80 Jahren hält sich hartnäckig der Mythos, dass die menschliche Zunge in verschiedene Zonen aufgeteilt sei, in der ein jeweiliges Aroma zu schmecken sei. Demzufolge schmecke man Süße mit der Zungenspitze, Bitterkeit mit ihrem hinteren Teil. Die Wahrheit ist jedoch viel einfacher: Man schmeckt alle Aromen überall mit der gesamten Zunge, auch wenn sich tatsächlich mehr Geschmacksrezeptoren am Zungenrand denn als in der Zungenmitte befinden. Eine feste lokale Zuordnung der Geschmäcker auf der Zunge gibt es aber nicht.
Zurückzuführen ist dieser Irrtum auf Edwin Boring, Historiker und Psychologe an der Havard University, der in den 1940er Jahren die „Psychophysik des Geschmackssinnes“ von 1901 des deutschen Physiologen David Hänig aus dem Deutschen ins Englische übertrug. Boring missverstand die Thesen Hänigs: der forschte nämlich darüber, welche minimale Menge eines Aromas noch wahrgenommen werden konnte und nicht etwa darüber, wo welcher Geschmack. Um dies zu illustrieren, fügte er seinem Text eine Zungenkarte an, die Boring rund 40 Jahre später zu jener berühmt berüchtigten Zungenkarte fehlinterpretieren sollte, die teilweise bis heute noch durch die Schulbücher geistert. Jedoch ist sich mittlerweile die Forschung einig, dass überall auf der Zunge jedes Aroma geschmeckt werden kann.